Dies ist eine Geschichte für
alle, die meine Gefühle mit mir teilen
und eine Hommage an eine kleine, virtuelle
Stadt.
Guten
Tag,
gestatten Sie, daß ich mich vorstelle?
Mein Name ist ChatCity. Ich bin eine virtuelle Stadt in den Weiten des
Internet. Na und, werden Sie sagen - sie kennen mich nicht. Und was an
mir so interessant ist? Das will ich Ihnen gern erzählen, obwohl ich
sonst sehr verschwiegen bin. Aber ich habe einige Dinge zu berichten, die
Sie vielleicht interessieren. Und außerdem - wozu sind lange Abende
denn da? Für eine gute Geschichte, denke ich. Machen Sie es sich bequem
und verweilen Sie einen Augenblick bei mir. Ich kann nämlich sehr
gut Geschichten erzählen.
Es
begann eigentlich ganz alltäglich, so irgendwann in der Mitte des
Jahres 1996. Ich wurde als Chat für nette Leute entworfen, die sich
einfach nur miteinander unterhalten wollen. Doch was mir dann widerfahren
ist, ist einfach unglaublich.
Da
stürmten eines Tages ein paar Leute herein, die waren offensichtlich
sehr angetan von mir. Bemerkungen wie "...das ist aber nett hier"
und "So schön ruhig" oder auch "Toll, hier ist es ja
nicht so überfüllt" ließen mein Herz höher schlagen.
Denn wissen Sie, als Chat muß man sich schon einige Mühe geben,
um interessant zu sein. Zugegeben, meine Kapazitäten sind beschränkt
aber ich sage mir immer: lieber klein und fein, als groß und unübersichtlich.
Und darauf bin ich sehr stolz.
Ich
stellte also nach einer Weile fest, daß diese Leute immer wiederkamen
und nicht nur das - es bildete sich eine kleine intime Gemeinschaft. Da
sind aber auch nette Leute dabei. Dieser pacman z.B., der ist eigentlich
ständig da. Er fühlt sich offenbar sehr wohl bei mir.
Ach
übrigens, bitte lachen Sie nicht über die teilweise sehr kuriosen
Namen meiner Bewohner. Das hat ein Chat nunmal so an sich. Man gibt sich
nicht gleich völlig preis. Man möchte doch erstmal schauen, wie
man so aufgenommen wird.
Und
es wurden dann immer mehr Leute im Laufe der Wochen. Ich war schon immer
so gespannt, wer denn heute so kommen würde. Sie müssen wissen,
ich habe sie sehr in's Herz geschlossen, diese verrückte kleine Bande.
So nenne ich sie immer. Ich hoffe, die nehmen es mir nicht übel.
Da
gibt es dann schon die unterschiedlichsten Charaktere. Bei den Damen ist
die Maxmax sehr lustig. Immer einen Scherz auf den Lippen. Oder die ulli.
Das ist auch ein sehr nettes Mädchen. Oder die Rhonda, die lavinia,
die lia oder die Spunk. Und choice und die Dangermouse. Die sind mir wirklich
sympathisch.
Ja,
und auch die Herren. Also thesmile, jani, Tillich, woodym, Refugee, DustDevil
und all' die anderen sind echte Gentlemen. Da brauche ich mir um die Damen
keine Sorgen machen. Das ist sehr wichtig, wissen Sie. Man muß ja
auf seinen Ruf achtgeben. Was nicht immer einfach ist, zugegeben. Da gibt's
nämlich auch Schlawiner.
Zu
diesem Zweck habe ich einige, die mir doch sehr vertrauenswürdig erschienen,
mit kleinen Raffinessen ausgestattet. Ich kann meine Augen ja schließlich
nicht überall haben. Aber ich habe da volles Vertrauen zu meinen Bewohnern.
Die passen schon sehr gut auf sich selbst auf. Obwohl ich natürlich
eine gewisse Verantwortung für sie trage.
Sie
glauben ja gar nicht, wo die zum Teil so herkommen. Aus allen Teilen der
Bundesrepublik. Also, das macht mich echt stolz. Nur der Norden scheint
etwas unterbelichtet zu sein. Naja, die Hannelore und der Ollie sind da
fast allein, wenn ich mich recht entsinne. Obwohl ich glaube, der PinkPanther
wohnt ganz in der Nähe von Hannelore.
Aber
im Süden...oder auch weiter westlich. Holla, wenn Sie wüßten,
was da los ist. Die reinsten Chatter-Hochburgen - das kann ich Ihnen flüstern.
Der Backslash, der wurm, die lilli, der Dorian, der Gentschi und die lala,
der Loomie, der Maddin....mein Gott, ich kann sie gar nicht alle zählen.
Und vor allen Dingen, was das Tollste ist - die kennen sich fast alle untereinander.
Die mögen sich wirklich. Das macht mich besonders froh. Da hat es
doch im Oktober '96 sogar ein Treffen gegeben. In einer Stadt namens Koblenz.
Die wollten sich unbedingt mal richtig kennenlernen.
Mann,
was war ich aufgeregt. Können Sie sich das vorstellen? Ich hatte schon
Befürchtungen, wenn die sich nicht mögen, was wird dann aus mir? Nacher
kommen sie alle nicht wieder. Das war schon ein schwerer Tag für mich.
Den
Abend war es ja dann auch entsprechend leer bei mir. Aber ich habe die
Zeit genutzt und mal wieder richtig durchgefegt. Naja, wie Bewohner halt
so sind. Wenn man einen Abend lang so richtig gemütlich zusammensitzt
und ein paar Flaschen Wein oder so geleert werden, räumt halt nicht
immer jeder wieder auf. Aber das ist schon in Ordnung. Ich tu' das gern.
Und
dann - am nächsten Abend waren sie wieder da. Was für ein Hallo.
Oh, was war ich glücklich. Also, die haben da teilweise echt Freundschaften
geschlossen. Und nun sind sie alle fest bei mir eingezogen. Mein Einwohnermeldeamt
hat ganz schön zu tun. Fast alle sind registriert. Ja, das gehört
sich ja auch so. Sonst schleicht sich noch jemand unter anderem Namen rein
und wir merken das nicht. Neeee, sowas wollen wir hier nicht.
Das
gibt nämlich böses Blut. Haben wir alles schon erlebt hier. Ist
ja auch nicht nett. Aber solche Leute halten sich auch nicht lange. Meine
Bewohner sind da nämlich ziemlich empfindlich. Die wollen in ihrer
Ruhe nicht gestört werden. Also, mir persönlich ist das sehr
lieb, denn man kann sich seine Bewohner ja nicht immer aussuchen und ich
habe da wohl wirklich viel Glück gehabt.
Wenn
ich da an den frolic denke, oder Maniac, wiwi, Hexle, nixe, m@xx, Mycroft,
Raistlin, Wolfskin, Zucchero oder PeerTeer. So nette Leute. Ich habe von
anderen Chats gehört, die nicht soviel Glück hatten. Da sind
teilweise ganz schöne Rüpel unterwegs.
Ja,
und dann gibts da noch Leute, die leider nicht so häufig kommen. Der
Eberhard, der Daryl oder der Dutsche. Oder Henni, LSD oder WAYNE. Naja,
die haben wohl viel zu tun, denke ich. Aber sie schauen immer mal wieder
herein. Das ist schon toll.
Und
was für verrückte Geschichten da zum Teil passieren. Ich muss
schon sagen, das haut mich manchmal echt um. Dann muß ich wieder
für einen Tag aussetzen, um mal Luft zu holen. Mein Gott, man ist
ja schließlich auch nicht aus Stein. Da wird sich verliebt, verlobt,
geflirtet, gemeckert, Sorgen mitgeteilt. Das muß man erstmal verkraften.
Aber ich nehme dann eines von Herrn skippy's Präparaten und schon
geht's mir wieder gut.
Die
Herren Surfguard und skippy passen nämlich auf meinen Zustand auf.
Wissen Sie, ich habe ja so viel um die Ohren, da brauche ich auch mal jemanden,
der mich so ein wenig fit hält. Oder mal eine kleine Modifikation
durchführt. Das sind ja schließlich auch Sachen, die meinen
Bewohnern dann zugute kommen. Und mir ist wichtig, daß ich immer
mal wieder was Neues zu bieten habe.
Meine
Bewohner wissen meine kleinen Vorzüge ja auch zu schätzen. Wenn
sich da mal zwei ganz ungestört unterhalten wollen, stelle ich natürlich
gern ein Séparée zur Verfügung. Es ist immer sehr kuschelig
dort. Das müssen Sie auch mal ausprobieren. Ich lasse Sie ganz allein
mit Ihrem Gesprächspartner. Sie können natürlich auch gern
unsere Sep-Bar benutzen. Die ist immer gut gefüllt. Mit allem, was
Sie gern trinken wollen.
Einige
von meinen Bewohnern lieben das Séparée besonders. Dann verziehen
sich gleich mehrere Personen da hinein. Das ist lustig. Sie kuscheln sich
in dem engen Sep zusammen und unterhalten sich und scherzen den ganzen
Abend, daß es nur so eine Freude ist. Ich habe dort auch schon einige
gemütliche Sessel und Sofas aufgestellt. Das sind besonders begehrte
Plätze.
Ja,
und wenn sie dort so plaudern, vergessen sie völlig die Zeit um sich
herum. Manch einer hat schon die ganze Nacht dort verbracht. Ich denke
dann manchmal voller Grausen an diese entsetzliche TELEKOM. Die hat nämlich
einfach solche komischen Gebühren entwickelt, die meinen Bewohnern
das Geld aus der Tasche zieht, damit sie Zugang zu mir erhalten.
Was
habe ich mich schon darüber aufgeregt! Schließlich möchte
ich meinen Besuchern ja keine Hindernisse in den Weg legen, um zu mir zu
kommen. Und dann zwängen die sich einfach so dazwischen. Ich habe
schon versucht, deren Leitungen anzuknabbern, damit das aufhört. Erzählen
Sie das bloß keinem. Das ist nämlich verboten. Aber ich wollte
doch was Nettes für meine Bewohner tun.
Ich
bemühe mich ja eigentlich ständig, nett zu sein. Wissen Sie in
meinem Dating Point habe ich ja extra eine Pinnwand eingerichtet, daß
meine Bewohner sich auch Nachrichten hinterlassen können, wenn sich
mal ein paar Leute verpassen. Aber was da manchmal so passiert, da ist
es dann auch nicht immer einfach, nett zu bleiben.
Naja,
manchmal sind sie halt wie die Kinder. Wenn die sich mal in die Haare bekommen,
fliegen da auch gleich richtig die Fetzen. Hab' ich letztens erst erlebt.
Und da soll man ruhig bleiben! Manchmal könnte mir schon die Hand
ausrutschen, aber ich bin eine eher antiautoritäre Natur. Aber ein
Machtwort muß ich wohl schon mal sprechen.
Froh
bin ich nur, daß es ja einige unter ihnen gibt, die dann die Sache
in die Hand nehmen und alles wieder in's Lot bringen. Das ist wirklich
wie in einer Familie. Mir wird dann immer ganz warm um's Herz. Hach.
Aber
ich rede und rede und.....oh, Gott. Schon so spät? Herrje, ich muß
los. Sonst vermissen die mich wieder und schimpfen wenn ich nicht schnell
genug die Türen aufmache. Jaja, sie sind schon recht ungeduldig, meine
Rangen. Ist das nicht süß?
Haben
Sie sich gut unterhalten? Na, ich hoffe doch. Vielleicht schauen Sie ja
auch mal herein. Ich würde mich sehr freuen. Dann können Sie
selber erleben, wovon ich Ihnen erzählt habe. Aber ich muß sagen,
Sie waren auch ein sehr guter Zuhörer. Das tat mal gut, so frei von
der Leber weg plaudern zu können.
Verzeihen
Sie, wenn ich jetzt aufbreche. Aber sonst sitzen wir noch in einigen Stunden
hier. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Ihre ChatCity
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